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Matrosenobergefreiter
Friedrich Junghans
Turm Dora, 7. Division
* 6.6.1919 in Oberwürschnitz (Kgr. Sachsen) - † 28.10.1973
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Deutschland (1919)
Quellen:
Kennedy Russell (Großenkelin) / USA
Peter Higgins (Sohn von Stanley A. Higgins) / Großbritannien
myheritage.de
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Friedrich Junghans wurde am 6. Juni 1919 in dem sächsischen Dorf Oberwürschnitz
im Erzgebirge geboren. Sein Heimatdorf lag zwischen Zwickau
und Chemnitz am Lauf der Würschnitz. 1934 wurde die 3.000 Einwohner zählende
Gemeinde nach Neuwürschnitz eingemeindet. Hier wuchs er auf und
besuchte die Schule. Es schien ihn aber nicht hier zu halten. Auf der Suche
nach Abenteuer heuerte Friedrich Junghans wahrscheinlich mit 14 Jahren bei
der Handelsmarine an. Drei Jahre später fuhr er auf dem Hapag-Passagierschiff
New York.1 In Hamburg war er am 12. Mai 1936 als Matrose auf das Schiff eingestiegen
und fuhr nun im transatlantischen Schiffsverkehr zwischen der
Hansestadt und New York. Die 207 m lange New York war das Flaggschiff der
Hamburger Reederei und beförderte auf ihren Fahrten bis zu 960 Passagiere in
drei Klassen bei einer Besatzung von etwa 420 bis 460 Mann. Bis Ende des
Jahres nahm Friedrich Junghans an neun Nordatlantikpassagen teil. Dies war
im Durchschnitt eine Fahrt pro Monat. Im Frühjahr 1937 fuhr die New York vier
Mal auf Westindien Kreuzfahrt durch die Karibik. Für Friedrich Junghans folgten
im April und Mai noch zwei weitere Hamburg – New York Fahrten ehe er
das Schiff nach einem Jahr an Bord verließ. Er hatte sich mittlerweile freiwillig
zur Kriegsmarine gemeldet und wurde im nächsten Jahr eingezogen. Möglicherweise
absolvierte er in der Zwischenzeit den Reichsarbeitsdienst.
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Überlebende der Bismarck in kanadischer Kriegsgefangenschaft in Camp 23 Monteith, Ontario aufgenommen im Juni 1942. Von links nach rechts: 1. Friedrich Junghans, 2. Rudi Römer, 3. Gerhard Raatz, 4. Erich Wollbrecht, 5. Helmut Behnke, 6. Albert Hülsmann (Heer), 7. Fritz May, 8. Heinz Heinecke, 9. Rudi Siste (nicht Bismarck), 10. Alfred Scheidereiter, 11. Herbert Prinke, 12. Herbert Jahn, 13. Bruno Rzonca |
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1 Die Crewlisten der Einwanderungsbehörde in New York dokumentierten die Besatzungen aller einlaufenden Schiffe und nennen mehrfach den siebzehnjährigen Ordinary Seaman Friedrich Junghans von dem Steamship New York, bei dem es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die gleiche Person handelt.
2 Bei der 7. Division handelte es sich um die "Funktionäre", etwa Schumacher oder Schneider, daher scheint es unwahrscheinlich, dass Friedrich Junghans in dieser Division diente.
3 Friedrich Helms ein später überlebender Geschützführer aus Turm Dora erlitt Verbrennungen als ein Treffer in der Nähe des Turms den Deckel einer Munitionsübernahmeluke wegschleuderte und eine Stichflamme emporschoss. Möglicherweise wurde auch Friedrich Junghans hierbei verwundet.
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1938 trat Friedrich Junghans dann in die Kriegsmarine ein. Zunächst wurde
er in der Grundausbildung zum Soldaten geformt. Auf welche Kommandos er
anschließend kam ist nicht bekannt. Als ausgebildeter Handelsmatrose dürfte
ihn das Eingewöhnen in den Bordalltag eines Kriegsschiffes gewiss einfacher
gefallen sein als seinen Kameraden. Sein letztes Kommando führte Friedrich
Junghans auf das Schlachtschiff Bismarck. Hier wurde er dem Geschützturm
Dora zugeteilt und diente vermeintlich in der 7. Division2. Ob er, wie die meisten
jungen Rekruten des Seemännischen Personals, zunächst auf das Wohnschiff
New York, seinem alten Schiff aus Handelsmarinezeiten, das nun im
Dienste der Kriegsmarine stand, kam, ist nicht bekannt. Mit der Bismarck lief
er im Mai 1941 auf Feindfahrt. Seine Feuertaufe erlebte Friedrich Junghans im
Gefecht mit der HMS Hood. Wenige Tage später wurde die Bismarck manövrierunfähig
von der Royal Navy gestellt. Am 27. Mai 1941 fand sie sich in einem
Gefecht gegen eine britische Übermacht wieder. Friedrich Junghans und seinen
Kameraden war klar, dass dies ihr letztes Gefecht sein würde. Das Feuer
wurde so lange es ging erwidert. Zunächst schoss die schwere Artillerie unter
Leitung des Hauptartillerieleitstandes. Als dieser jedoch zusammen mit den
vorderen Türmen durch Treffer ausfiel übernahm der achtere Stand die Leitung.
Doch fiel auch dieser bald einem Treffer auf seine Optiken zum Opfer und so mussten die achteren Türme selbstständig schießen. Friedrich Junghans
Turm Dora fiel etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde nach Gefechtsbeginn
aus. Ein Rohrkrepierer zerfetzte das rechte Rohr. Danach hatte das linke
Rohr noch zwei Schüsse abgegeben, bis von unten die Meldung kam, dass der
Turm brenne. Daraufhin verließ Friedrich Junghans zusammen mit der gesamten
noch unversehrten Turmbesatzung den Turm Dora. Die Rohre wiesen
nach Backbord voraus, in die Richtung wohin sie zuletzt gefeuert hatten. Der
Turm war vom Feuer außen tief rauchgeschwärzt. Mit den achteren Türmen
erlosch auch das Geschützfeuer der Bismarck, in dem ungleichen Kampf. Friedrich
Junghans überlebte den noch immer anhaltenden Artilleriebeschuss verwundet3.
Möglicherweise bot ihm sein Turm Deckung vor den Einschlägen
und verhinderte schlimmeres.
Schließlich ging er ins Wasser und konnte nach
längerem Schwimmen von dem britischen Kreuzer HMS Dorsetshire gerettet
werden. Ein Heizer namens Stanley A. Higgins half ihm an Bord. Die erschöpften
Geretteten wurden in Decken gehüllt und unter Deck geführt. Friedrich
Junghans war völlig außer Atem und sagte nur immer wieder: "Whisky ... Whisky".
Darauf antwortete ihm sein Retter: "You‘ll be lucky, we don‘t get any of that
ourselves!!!" ("Du hast Glück, das wir selber keinen bekommen").
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4 Als Kriegsgefangener war er stets gut behandelt worden.
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Friedrich Junghans bedankte sich später bei seinem Retter und gab ihm zum Dank seine Erkennungsmarke.
Für ihn und die anderen Überlebenden begann nun eine lange
Zeit der Kriegsgefangenschaft. Die längste Zeit verbrachte er in Kanadischen
Lagern. Nach Kriegsende musste er noch einige Zeit auf seine Rückführung
warten und zunächst in Großbritannien Entschädigungsdienst ableisten.
In seine sächsische Heimat, die nun Teil der sowjetischen Besatzungszone
und späteren DDR war, kehrte er wahrscheinlich nicht zurück, sondern zog nach Hamburg.
Dort arbeitete er unter anderem als Kapitän eines Alsterdampfers, einem der traditionellen Ausflugsschiffe auf dem großen Hamburger Binnengewässer.
Er heiratete seine Verlobte Charlotte und bekam einen Sohn Roland und
eine Tochter Heidegard. Friedrich Junghans entschloss sich in den Fünfzigerjahren
mit seiner Familie nach Kanada auszuwandern. Das Land und seine
Menschen4 waren ihm aus der Gefangenschaft in sehr guter Erinnerung geblieben.
In Fort William in Ontario, einem Bezirk der Stadt Thunder Bay am
Lake Superior nahe der US Grenze, fand die Familie eine neue Heimat. Friedrich
Junghans arbeitete als Bergmann im Kohleabbau. Um sich einfacher zu
assimilieren nutzte er später die englische Schreibweise seines Namens Frederick.
Nach der Auswanderung wurde der jüngste Sohn Norman geboren.
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5 Der Lungenkrebs war wahrscheinlich eine Folge seiner Arbeit als Bergmann in den Kohleminen, zudem war Friedrich Junghans Raucher.
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Über die traumatischen Erlebnisse aus dem Krieg hat er mit seiner Familie nie
viel gesprochen. Später zog die Familie in die USA wo er am 28. Oktober 1973
im Alter von 54 Jahren an einer Lungenkrebserkrankung5 verstarb. Beigesetzt
wurde er im Rose Hills Memorial Park in Whittier im Los Angeles County.
Stanley A. Higgins, sein einstiger Retter, hatte noch gehofft ihn bei einer
gemeinsamen Gedenkveranstaltung der Überlebenden der Bismarck und der
HMS Dorsetshire am 27. Mai 1974 in Friedrichsruh bei Hamburg zu treffen. Die
Erkennungsmarke, welche Stanley A. Higgins all die Jahre aufbewahrt hatte,
wollte er ihm bei dieser Gelegenheit zurückgeben. Da dies leider nicht mehr
möglich war spendete er die Erkennungsmarke schließlich dem Merseyside
Maritime Museum in Liverpool, wo sie noch heute zusammen mit seiner eigenen
ölverschmierten Schwimmweste ausgestellt wird, die Stanley beim Untergang
der HMS Dorsetshire im Indischen Ozean 1942 getragen hatte.
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